Tag 4: 6. August 2002

 

Stilfser Joch, ein großartiges Panorama entschädigt für “hunderte” von Serpentinen, und die Bergmeister machen ihrem Namen alle Ehre.

Die KR 26 von Uwe und der Sevicebus- Pilot Heiner müssen wohl einen telepatischen Draht zu einander haben. Heiner wird von einer Darmkrankheit geplagt und nach einigen Überzeugungsgesprächen ist er bereit, in der Pension bei Tee und Zwieback eine Ruhepause einzulegen bis wir ihn auf dem Rückweg, hoffentlich genesen, wieder einsammeln. Uwe fährt mit Heiner noch zum Arzt und nach verabredetem Handytelefonat zwecks Lagebesprechung will Uwe den Servicebus auf Abkürzungen weiter in Richtung Mailand pilotieren und mit der Motorrad-Mannschaft irgendwo auf der Strecke wieder zusammentreffen.
Startzeit 9.25 bei strömendem Regen, passend zur Situation. Die geschrumpfte Truppe der drei V35-Fahrer macht sich auf den Weg zum Stilfser Joch. Als Trafoi, die letzte Ortschaft vor der 2760 m hohen Passhöhe, hinten ihnen liegt, reißen die tiefhängenden Regenwolken etwas auf und geben den Blick auf ein atemberaubendes Bergpanorama frei. Am Ende des Talkessels türmt sich eine Felswand auf, an der sich nur schwerlich eine Straße vermuten lässt.

Die Bergmeister rechtfertigen hier ihren Namen und klettern wie die Bergziegen die Serpentinen zur Passhöhe hinauf. Kehre um Kehre wird im Ersten genommen, der Zweite will bei Max-Drehzahl reingeprügelt werden damit der Leistungsanschluss passt. Um 11.40 Uhr oben angekommen zeigt das Thermometer noch 7 Grad und nach einem schnellen Foto wird ein aufwärmender Kaffee in der Gaststube eingenommen. Uwe meldet sich mit dem Handy und gibt durch, dass er sich jetzt von Naturns auf den Weg nach Édolo macht.Das V35-Team macht sich zur Passabfahrt nach Bormio bereit und im Tal angelangt führt die Strecke direkt weiter zum 2652 m hohen Gavia Pass. Die kaum befahrene Passstraße zeigt sich genauso regenwolkenverhangen wie das Stilfser Joch und nur ab und zu gibt eine Wolkenlücke den Blick auf die umliegenden Berge frei. Fahrfehler sind hier unverzeihlich, denn Leitplanken sind auf der fast einspurigen Passstraße keine montiert, nur die weiß getünchten Felsblöcke markieren den Übergang zum gähnenden Abgrund. 13.40 Uhr oben angekommen geht es ohne Verschnaufpause wieder runter ins Tal. Ohne Motorgeräusche in absoluter Stille wird ein Stück des Weges ins Tal gerollt und die raue Bergwelt spült bei den Dreien bewegende Emotionen aus dem Unterbewusstsein. Wieder im Tal in Édolo trifft Uwe wie geplant wieder zu den V35-Fahrern und weiter geht es auf der Landstraße in Richtung Mailand. Bei strahlendem Sonnenschein ist die Motorradkluft schnell wieder abgetrocknet. Über Breno, Lovere, Bergamo, Vaprio und Gorgonzola lassen die ausgeschilderten Entfernungsangaben Erstaunen aufkommen, der rätselhafte Sprung von einem Kilometer in der Entfernungsangabe braucht eine Fahrzeit von teilweise 10 Minuten.

Halbzeit! Das Ortseingangsschild von Mailand ist erreicht, mehr Großstadtverkehr soll den Oldtimern nicht zugemutet werden, wir machen uns nach dem obligatorischen Foto wieder auf den Rückweg.

Offensichtlich gelten in Italien andere Berechnungsgrundlagen zur Entfernungsermittlung. Kurz vor der verkehrsbrodelnden Stadtgrenze der norditalienischen Metropole sorgt bei einem Tankstopp der Tankwart für Verwirrung  als dieser den Überblick zwischen Tankfüllung und bezahlter Tankquittung verliert. Unter eindeutigen italienischen Verwünschungen schließt er seine Bude ab und delegiert die "stupide Tedesci" aus seinem Herrschaftsbereich.
19.30 Uhr, Halbzeit bei Kilometerstand 1233 ­ Geschafft ­ das Team steht leicht erschöpft aber glücklich am Stadtrand von Mailand und löst einige Irritationen bei den Anwohnern wegen der Positionierung zum obligatorischen Zielfoto mitten im Verkehrsgewühl aus. Unverzüglich geht es weiter, vorbei an Monza nach Montichello, dem Standort der Garelli- Fabrik. Dort bekommt Len wegen seiner zweiten Leidenschaft feuchte Augen, als er nach einer ersten Frage an einen umstehenden Ureinwohner feststellt, dass der Firmenboss Daniel Agrati wie ein alles überragender Patron bekannt ist.

Es beginnt schon zu dämmern als die Südspitze des Comer Sees erreicht wird. In Lecco wird nicht lange gesucht, das Hotel Moderno (modern war es um die letzte Jahrhundertwende) in der Innenstadt wird als Nachtasyl auserkoren. Um 21 Uhr nach 352 Tageskilometern ist Feierabend, die Motorräder werden in die Tiefgarage verfrachtet und die Speisekarte der nächsten Pizzeria wird zur letzten Offenbarung des Tages, bevor allen Beteiligten die Kräfte schwinden.

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Die Tour im Überblick:

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